Die aktuell aufgedeckten Missstände haben deutlich gemacht, dass bei rechtswidrigem Handeln von Unternehmen, Behörden und Politikern öffentliche Aufklärung hilft. Diese Aufgabe kommt den Medien und Journalisten zu. Doch für Journalisten, die investigativ arbeiten, wird es immer schwieriger, Informanten zu schützen. Die Justiz geht härter gegen Whistleblower und Informanten vor. Besonders, wenn Informationen aus der Regierung, Verwaltung und Behörden durchsickern. Die momentane Rechtslage kriminalisiert Informanten, und der Staat bestraft diejenigen, die auf Rechtsbrüche hinweisen.
Ein besserer Schutz für Informanten, Whistleblower und investigative Journalisten ist in Deutschland dringend gefordert. Wieso werden jene verfolgt, die auf Rechtsbrüche hinweisen, die von öffentlichem Interesse sind? Warum geht man so hart gegen die Überbringer schlechter Nachrichten vor? Menschen, die auf Missstände aufmerksam machen, riskieren viel. Wäre es im Sinne der Pressefreiheit nicht sinnvoll, den Schutz für Informanten, Whistleblower und investigative Journalisten zu verbessern?
Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig entschieden: Journalisten sind durch das Grundgesetz Art. 5 besonders geschützt und deshalb muss er auch frei arbeiten können. Doch trotz verbriefter Pressefreiheit geht die Justiz immer wieder rigoros gegen Journalisten und deren Informanten vor.
Die Angst vor der Überwachung und die anschließende Strafverfolgung durch Behörden halten Informanten davon ab, ihre Informationen weiter zu geben. Doch ohne diese Informationen wären viele Probleme nicht in die Öffentlichkeit gelangt – Unrechtmäßigkeiten und Nachlässigkeiten wie beispielsweise
– der Geflügelskandal der Firma Wiesenhof,
– Welpen-Handel zwischen Deutschland und Osteuropa,
– Missstände in Schlachthöfen,
– Arbeits- und Hygienebedingungen in einigen Burger-King-Filialen.
Diese Fälle wurden von Informanten ans Tageslicht gebracht. Ob Hygienemängel bei Fastfood-Ketten, katastrophale Pflegebedingungen in Altenheimen oder Massenüberwachung durch Geheimdienste – ohne Informanten blieben viele Missstände in Unternehmen und politische Skandale unentdeckt. Der Verband der Krankenkassen bittet Klinik-Mitarbeiter beispielsweise darum, Korruption im Gesundheitssektor zu melden. Wer Missstände öffentlich macht und seine Identität dabei preisgibt, gilt schnell als Nestbeschmutzer oder als illoyaler Denunziant. Es drohen Anfeindungen, Gerichtsprozesse und der Verlust des Arbeitsplatzes. Zu klären ist immer die Frage: Wann rechtfertigt das öffentliche Interesse einen Geheimnisverrat?
Folgende drei Fälle gingen lange Zeit durch die Presse :
Brigitte Heinisch (Altenpflegerin, die 2007 den „Internationalen Whistleblower-Preis“ erhielt)
Als sie öffentlich die unzureichende Pflege Hilfebedürftiger in einem Berliner Altenheim anprangerte, wurde Brigitte Heinisch fristlos entlassen. Während deutsche Arbeitsgerichte das Urteil bestätigten, sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Meinungsfreiheit und das öffentliche Interesse an Information nicht ausreichend berücksichtigt.
Dr. Hanna Ziegert (forensische Psychiaterin)
Bei einigen Vertretern der bayerischen Justiz gilt Hanna Ziegert als „Nestbeschmutzerin“. Andere teilen ihre Kritik an der zu engen Zusammenarbeit von Gutachtern und Gerichten im Fall Mollath, die sie im August 2013 bei „Beckmann“ äußerte. Obwohl die Psychiaterin Aufträge entzogen bekam, bleibt sie bei ihrer Haltung.
Steuerfahnderaffäre (Schmenger, Wehner, Eheleute Feser)
Vier hessische Steuerfahnder wiesen beharrlich auf Missstände hin – die Landesverwaltung ließ sie daraufhin von einem Psychiater für dienstunfähig erklären. Jetzt hat ein Frankfurter Gericht den Gutachter zu Schadensersatz verurteilt.
Guido Strack, Vorsitzender des Vereins “Whistleblower Netzwerk”, sagt zum Thema Informantenschutz in „Netzteil“ vom 31. Mai 2013 : “Das größte Problem ist die Unsicherheit. Dass man nicht sicher sagen kann: Ja, du bist geschützt oder nein, du bist nicht geschützt. Es gibt jetzt auch wieder Entscheidungen von Gerichten, bei denen Whistleblower verloren haben mit ihrer Klage.”
Gefährliche Lebensmittel, Abzocke bei Banken, Sicherheitsmängel bei der Bahn – viele Skandale werden nur aufgedeckt, weil Informanten den Mut haben, in die Öffentlichkeit zu gehen. Doch sie bezahlen teuer: Kündigung, Krankheit sogar Verarmung sind oft die Folge. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland noch immer keinen ausreichenden Schutz. In England geht der Schutz besonders weit. Ein Mitarbeiter muss keine Angst vor arbeitsrechtlichen Schritten und Schadensersatzforderungen haben, wenn er in gutem Glauben Skandale meldet. In Frankreich, Japan und Neuseeland sind Whistleblower sehr viel besser geschützt, das heisst, der Arbeitgeber kann sie nicht so schnell loswerden.
Die Unternehmensskandale vergangener Jahre, gerade auch die vermehrten Enthüllungen von Bilanzdelikten, Korruption, Bespitzelung oder Misswirtschaft der jüngeren Zeit,machen es deutlich: Die bestehenden Kontroll- und Überwachungsmechanismen sind nur bedingt erfolgreich. Journalisten wie Strafverfolgungsbehörden sind auf Insider-Wissen angewiesen.
Die Arbeit mit Informanten kann nur funktionieren, wenn sich die Informanten ihrer Anonymität sicher sein können. Deshalb müssen Informanten von Journalisten geschützt werden.
Peter Welchering und
Manfred Kloiber:
Informantenschutz
EAN 978-3-658-08718-0
Preis: noch offen