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Datenfischer brauchen neue Netze

Thomas Stadler

Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht.
Foto: privat

Thomas Stadler ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und für gewerblichen Rechtsschutz in einer Kanzlei in Freising bei München. Er hat zu diesem Themenbereich mehrfach publiziert, hält Vorträge, ist in verschiedenen Vereinen engagiert, schreibt beim juris Praxiskommentar zum Internetrecht und betreibt das Blog „Internet-Law„. Im Oktober 2014 nahm er an einer Dialogrunde bei Bundesinnenminister de Maizière zum Thema „Datenschutz im Spannungsverhältnis zur Informations- und Meinungsfreiheit“ teil.

Im Interview spricht Thomas Stadler über die Notwendigkeit internationaler Abkommen und den Wunsch nach einem Interner-Völkerrecht – und was wir selbst dafür tun könnten.

Ein Interview von Astrid Kösterke

Bei der taz-Generalversammlung im September 2013 hatten Sie im Zusammenhang mit dem SWIFT-Abkommen gefordert, dass es mehr „Druck von unten“ geben müsste, um das „Abfischen von Daten“ (durch die USA) zu verhindern. Wie könnte so ein Druck aufgebaut werden?
Mit mehr Druck von unten war ein größerer Widerstand der Zivilgesellschaft gegen Überwachungsmaßnahmen gemeint. Aufgrund der durchaus beträchtlichen Berichterstattung haben viele Menschen im Laufe der letzten beiden Jahre von den Überwachungsmaßnahmen ausländischer und nationaler Geheimdienste Kenntnis erlangt. Das betrifft auch internationale Abkommen wie das mit SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication), durch das Bankdaten europäischer Bürger an US-amerikanische Behörden übermittelt werden.

Dennoch gibt es bislang keine größeren Widerstände seitens der Bürger, die diese Aktivitäten mehrheitlich mit einer gewissen Gleichgültigkeit oder auch Ratlosigkeit zur Kenntnis nehmen. Wenn die Bürger dieses Thema politisch als wichtiger einschätzen und dieser Einschätzung beispielsweise auf größeren Demonstrationen Ausdruck verleihen würden, könnte sich auch der politische Handlungsdruck erhöhen. Nachdem die Bundesregierung allerdings erkannt hat, dass sich ihre Untätigkeit in dieser Frage nicht negativ in den Meinungsumfragen bemerkbar macht, besteht für sie auch kein Anlass zu handeln.

Im selben Beitrag ist auch die Rede davon, dass die Bundesregierung sich für ein „Internet-Völkerrecht“ einsetzen sollte, um auf internationaler Ebene gültige rechtliche Grundlagen für Datenschutz (für Journalisten) zu schaffen. Was wären die wichtigsten Aspekte einer solchen rechtlichen Grundlage?
Grundsätzlich sollte man die Themen Datenschutz und Überwachung nicht in einen Topf werfen, obwohl dies in der öffentlichen Diskussion sehr häufig getan wird. In beiden Bereichen wären meines Erachtens völkerrechtliche oder bilaterale Verträge denkbar und notwendig, um international einen einheitlichen Standard zu schaffen.

Beim Thema Überwachung durch Geheimdienste gibt es bislang bewusst keine völkerrechtlichen und offiziellen bilateralen Regelungen zwischen Einzelstaaten. In dieser Frage hatte die Bundesregierung ja vor einiger Zeit mit dem Vorhaben eines No-Spy-Abkommens mit den USA bereits einen Vorstoß gewagt, der aber schnell wieder zu den Akten gelegt wurde, nachdem man erkannt hatte, dass die USA an einem derartigen einschränkenden Abkommen wenig Interesse haben.

Was wäre der Kern eines solchen Abkommens?
Man könnte völkerrechtlich vereinbaren, dass sich diejenigen Staaten, die einem solchen Abkommen beitreten, nicht gegenseitig ausspionieren, das heißt, die Behörden und Institutionen des jeweils anderen Staates nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, keine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs vornehmen und auch keinerlei Wirtschaftsspionage betreiben.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat der BND mehr Rechte bekommen, wenn es ums Abhören von Telefonaten oder den Einblick in Email-Verkehr geht. Was hat sich damals eigentlich noch geändert?
Nach diesen Anschlägen gab es in Deutschland eine ganze Reihe gesetzlicher Änderungen. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz hat unter anderem die Befugnisse des Verfassungsschutzes erweitert, Auskünfte einzuholen: bei Kreditinstituten über Konto- und Überweisungsdaten, bei Luftfahrtunternehmen zu Namen und Anschriften von Passagieren, bei Postdienstleistern zu den Umständen des Postverkehrs und bei Telekommunikations- und Internetdiensteanbietern Verkehrsdaten und Informationen zur Nutzung von Internetdiensten.

Auch das G10-Gesetz, das eine Beschränkung des Fernmeldegrundrechts erlaubt, wurde seit 2001 mehrfach geändert und verschärft. Neu eingeführt wurde 2001 die Möglichkeit, die leitungsgebundene Kommunikation zu überwachen, wodurch die Grundlage einer Internetüberwachung durch BND und Verfassungsschutz überhaupt erst geschaffen worden ist. Es kamen weitere Neuregelungen hinzu wie die Antiterrordatei oder auch die Vorratsdatenspeicherung, die zwischenzeitlich für verfassungswidrig erklärt wurde.

Wenn man den Verdacht oder die Gewissheit hat abgehört zu werden: Was kann man tun, zum einen als ‚normaler Bürger‘, zum anderen als Journalist?
Hier stellt sich zunächst die Frage, von wem sie abgehört werden, von Polizeibehörden oder von Geheimdiensten. Der Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen von Geheimdiensten ist ohnehin stark eingeschränkt. Das grundsätzliche Problem besteht zunächst darin, dass ein betroffener Bürger regelmäßig nicht erfährt, dass er abgehört wird bzw. zumindest keine gesicherten Erkenntnisse dazu erlangt. Erfährt er zufällig oder durch eine Auskunft der abhörenden Behörde davon, kommt durchaus eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung in Betracht.

Es gibt grundsätzlich auch gegenüber Geheimdiensten gesetzliche Auskunftsrechte des Betroffenen. § 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sieht beispielsweise vor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen über die zu seiner Person gespeicherten Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft erteilen muss, allerdings nur soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Man muss also konkrete Umstände kennen und benennen können.

In der Ausbildung für Journalisten kommt das Thema Informantenschutz bisher kaum vor. Wie können sich angehende Journalisten darüber informieren, was sie beachten müssen, wenn sie mit einem zu schützenden Informanten in Kontakt kommen wollen?
Der journalistische Informantenschutz beruht ja im Wesentlichen auf den Regelungen zum Zeugnisverweigerungsrecht in der Strafprozessordnung und in anderen Verfahrens- und Prozessordnungen. Ich halte es durchaus für wichtig, dass Journalisten grundsätzlich Bescheid wissen über die Voraussetzungen und den Umfang dieser gesetzlichen Regelungen, die letztlich dazu führen, dass man gegenüber staatlichen Behörden die Auskunft über die Person seines Informanten verweigern kann. Eine zentrale Informationsquelle oder Informationsstelle hierzu kann ich nicht benennen. Ich finde es allerdings erstaunlich, dass dieses Thema in der Ausbildung für Journalisten, wie Sie sagen, kaum vorkommt, da das Risiko für Journalisten, sich in solchen Fällen selbst strafbar zu machen oder sich staatlichem Zwang auszusetzen, durchaus beträchtlich ist.

Buchtitel Informantenschutz von Peter Welchering und Manfred Kloiber

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Peter Welchering und
Manfred Kloiber:
Informantenschutz
EAN 978-3-658-08718-0
Preis: noch offen